Es war ein Pokal-Finale, an dem sich die Geister
scheiden werden: Spannend, gar dramatisch bis zum letzten Elfmeter von
Lothar Matthäus, spielerisch aber dürftig. Nichts war von der
qualitativen Überlegenheit der Bayern zu spüren, die sie über fast
die gesamte Saison an den Tag gelegt hatten. Nichts von Bremer Fußball-Schule
der guten achtziger Jahre. Aber der dramatische Ablauf wird dieses 56.
Pokal-Finale als dramaturgischen Höhepunkt in die Annalen eingehen
lassen.
Werder Bremen, der fußballerische David, gewann das Duell gegen
Goliath Bayern zweifelsfrei glücklich, aber nicht unverdient. Die
Norddeutschen boten die geschlossenere Mannschaftsleistung, den größeren
Einsatzwillen, und hatten in Frank Rost und Dieter Eilts die einzig überragenden
Figuren auf dem Feld. Was schließlich reichte, um den Bayern den
Schneid abzukaufen.

Was andererseits unterstreicht, daß der Meister noch längst nicht die
Souveränität einer überragenden Klasse-Mannschaft besitzen.

Ottmar Hitzfeld hatte trotz der alleinigen Werder-Spitze Bode drei
gelernte Manndecker eingesetzt, Babbel allerdings für den verletzten
Strunz nach außen gezogen, um Maximow abzudecken - gegen die
offensiv-schwachen Bremer damit die Defensiv-Personalie aus dem
Champions-League-Finale gewählt. Seinen Irrtum erkannte er frühzeitig
und brachte für den meist orientierungslos herumirrenden Kuffour mit
Ali Daei eine offensive Ergänzung.

Herzogs Verletzung warf die Taktik um

Bis dahin hatten die Bremer ein agiles Wechselspiel zwischen Herzog und
Bode aufgezogen, wobei Bode mit seinem Pendeln zwischen alleiniger
Spitze und sofortigem Umschalten auf eine defensive Aufgabe im
Mittelfeld ein riesiges Laufpensum auf sich nahm. Die Verletzung von
Herzog durch ein derbes Foul von Linke nach etwa einer halben Stunde
warf diese taktischen Pläne durcheinander. Zumal der stark beginnende
Dabrowski mehr und mehr nachließ.

In dieser Phase zeigte sich die Klasse von Kapitän Dieter Eilts. Hatte
er anfangs durch Querschläger im eigenen Strafraum für mächtig Unruhe
gesorgt, wuchs er dank unermüdlichem Kampfgeist und wachsender Übersicht
zur zentralen Figur im Werder-Team. Engagiert wies er immer wieder seine
Nebenleute ein und zurecht, an ihm richteten sich die lange zögerlichen
Wicky und Wiedener auch in ihrem Offensiv-Drang auf. Vor allem aber
gewann auch der nervös beginnende Torwart Frank Rost durch die
vorbildliche Leistung von Eilts an Selbstvertrauen: Mit glänzenden
Paraden vereitelte er nach Einzelleistungen der Bayern hochkarätige
Chancen und bügelte somit manche Schwächen in der Abwehr aus.

Beim Deutschen Meister schien nach dem Schock des frühen 0:1 das Trauma
des Champions-League-Finales erneut erweckt zu sein. Ohne
Selbstvertrauen, ohne Ideen, fast blockiert spulten die Münchner ihre
Aufgaben herunter. Matthäus hielt sich fast nur im halbrechten
Mittelfeld auf, ohne Absicherung gegen Werder-Konter, die die Schwächen
der Bayern- Abwehr bei Bällen in den Rücken offenlegten. Effenberg
konnte sich der wechselweisen Bewachung von Eilts und Dabrowski selten
entziehen und ergab sich mit Ausnahme der Schlußphase mit zu wenig
Power in sein Schicksal. Trauriger Negativ-Höhepunkt für ihn war der
verschossene Elfmeter. Tarnat und Babbel egriffen viel zu selten die
Initiative. Und die nominellen Außenstürmer Basler und Scholl
verharrten viel zu lange auf den ungewohnten Anfangs- Positionen,
anstatt durch ständige Rochaden wirklich für Verwirrung in der
Werder-Abwehr zu sorgen. Lediglich vereinzelt blitzten bei den Münchner
Stars Ideen und damit sehenswerte Kombinationszüge auf, die Jancker und
dem nach der Pause drangvollen Matthäus Chancen eröffneten.

Die Verlängerung und der Elfmeter-Krimi bescherten dann weiteren
Unterhaltungswert eines typischen Pokal-Fights.

Daß der spielerische Rahmen über lange Phasen hinweg so dürftig
ausfiel, unterstreicht die derzeitige Verfassung beider Teams: Der FC
Bayern scheint nach dem Schock gegen Manchester - der wohl doch tiefer
sitzt als angenommen - psychisch nicht gefestigt genug, um wirklich als
Ausnahme-Mannschaft zu gelten. Jetzt werden die ersten Aufgaben der
neuen Saison zeigen müssen, ob die Führungs- Spieler wie Effenberg und
Matthäus wirkliche Sieger-Mentalität besitzen.

Werder dagegen verließ sich auf die derzeit primär vorhandene Tugend,
den unermüdlichen Kampfgeist. Es genügte zum Erfolg im Berliner
Olympia-Stadion. Ob dies ausreicht, im kommenden Jahr an größere Ziele
denken zu können, neben dem einer sorgenfreien Bundesliga-Runde etwa an
ein Vordringen im UEFA-Cup, bleibt ungewiß angesichts der geringen
Einkaufsliste.

Viel Arbeit wartet auf beide Kommando-Ebenen.
Von Rainer Holzschuh